Noch keine 19 Jahre alt, arbeitete Hans Rott mit Ein
Vorspiel zu "Julius Cäsar" im April 1877
bereits an seinem dritten Werk mit Bezug zum Theater.
Wenige Monate zuvor hatte Rott am 29. November 1876
mit der Reinschrift seiner Hamlet-Ouvertüre begonnen,
deren erste Entwürfe bis in den Juli desselben Jahres
zurückreichen, doch nach wenigen Seiten reißt die Partitur
ab, obwohl der Klavierentwurf vollständig zu sein scheint.
Parallel dazu komponierte er von Sommer bis Herbst
1876 an einer Oper. Ihr Titel, Herrmannsschlacht
[sic], bezieht sich mit ziemlicher Sicherheit auf Kleists
gleichnamiges Drama. Allerdings ist Rotts einziges Opernprojekt
vermutlich bereits im Ansatz stecken geblieben, denn
es sind nur wenige fragmentarische Aufzeichnungen dazu
überliefert.
Wann genau die Arbeiten an Ein Vorspiel zu "Julius
Cäsar" begannen, lässt sich nicht genau sagen.
Das erste genannte Datum in diesem Zusammenhang ist
der 10. April 1877. Da das Datum auf der ersten Seite
der ersten Partiturniederschrift steht, ist anzunehmen,
dass sich Rott schon zuvor mit dem Werk beschäftigt
hat, zumal bereits 20 Tage später die letzte von 18
Partiturseiten erreicht ist. Sie trägt das Datum 30.
April 1877. Unbekannt ist, zu welchem Zeitpunkt Rott
seine Reinschrift der Partitur anfertigte und wann er
die Einzelstimmen schrieb. In jedem Fall ist Ein
Vorspiel zu Julius Cäsar sein erstes bekanntes,
vollständig ausgeführtes Werk der Gattung Schauspielmusik
und nach dem Orchestervorspiel (beendet am 7.
November 1876) vermutlich überhaupt erst Rotts zweites
komplettes Werk für Sinfonieorchester. Und schon hier
findet man Kompositionstechniken, die er später in seiner
Symphonie Nr. 1 E-Dur benutzt und verfeinert
hat. Sogar der Beginn des Hauptthemas der Symphonie
könnte aus dem "Cäsar"-Thema ab T. 10 entwickelt worden
sein.
Keine zwei Monate später beginnen die Aufzeichnungen
zum vierten und letzten Werk mit unmittelbarem Bezug
zum Theater, wobei dieser Zusammenhang später von Rott
bewusst unkenntlich gemacht wurde. Aus dem ursprünglichen
Titel Ein Vorspiel zu Elsbeth wurde im Juni 1880
das Pastorale Vorspiel. Neben der Symphonie
und einem Streichsextett wollte Rott vermutlich
dieses Vorspiel für das Staatsstipendium einreichen.
Mag es auf den ersten Blick erstaunen, dass sich Rott
recht früh mit dem Musiktheater beschäftigte, so stellt
sich doch heraus, dass sich diese Gattung für ihn geradezu
aufgedrängt haben muss, denn Hans Rott wuchs im Theatermilieu
auf. Sein Vater, Carl Mathias Rott, war ein berühmter
Schauspieler und Gesangskomiker, seine Mutter, Maria
Rosalia Lutz, eine ebenfalls anerkannte Schauspielerin
und Sängerin. Dazu kam Rotts große Verehrung für Richard
Wagner. 1875-1879 war Rott Mitglied im Wiener akademischen
Wagner-Verein und im August 1876 besuchte er die ersten
Bayreuther Festspiele (u. a. mit Anton Bruckner). Schon
am 2. März 1876 erlebte er eine von Wagner dirigierte
Aufführung des Lohengrin in Wien.
Damit soll Rotts Affinität zum Musiktheater grob umrissen
sein. Dass er sich den zuvor genannten Dramen widmete,
mag mehrere Gründe haben. So wurde zwischen dem 25.
September und 5. Oktober 1875 Shakespeares Julius Cäsar
im Theater an der Wien neunmal gespielt, 99-mal am Burgtheater
zwischen dem 27. Mai 1850 und 2. Juni 1912. Die Hermannsschlacht
kam im Theater an der Wien zwischen dem 15. und 27.
Oktober 1875 elfmal zur Aufführung. Dieses Werk befand
sich nachweislich in Rotts Bibliothek. Es ist auch bekannt,
dass Rott über Shakespeare-Ausgaben verfügte. Damit
dürften ihm Hamlet und Julius Cäsar ebenfalls vorgelegen
haben. Allein der Titel Elsbeth konnte bisher nicht
zweifelsfrei zugeordnet werden.
Im Zusammenhang mit Richard Wagner stellt man bei Rotts
Schauspielmusiken eine Besonderheit fest. Es sind die
einzigen Orchesterwerke aus jener Zeit, in denen Rott
eine Tuba verwendet. Sie taucht erst später, in einem
Stimmensatz zu seiner Symphonie Nr. 1 E-Dur wieder
auf. Rott dürfte den Gebrauch der Tuba in Wagners Werken
kennen und schätzen gelernt haben.
Erhalten sind eine autographe Partitur, eine autographe
Partiturabschrift (mit teils wesentlichen Änderungen),
autographe Einzelstimmen sowie Abschriften der Streicherstimmen,
teils mit autographen Eintragungen; sie befinden sich
sämtlich in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.
Frank Litterscheid
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