Aktualisiert
am
4. März 2018 |
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Das jüngst gesteigerte Interesse an Rotts lang
vergessener Symphonie ist nicht nur der Suche der Plattenfirmen
nach neuen und unerprobten Repertoirestücken zu verdanken, sondern
auch der Frage, welchen Einfluß er auf das Werk Gustav Mahlers
hatte. Beide studierten zusammen in Wien, und die - von Uwe
Harten zitierte - Aussage Joseph Seemüllers bezeugt, daß Mahler
die Partitur nicht nur gesehen hatte, sondern offensichtlich
auch gut kannte. In gelehrten Aufsätzen und in verschiedenen
Online-Foren wurde viel darüber geschrieben, was Mahler Rott
vermutlich zu verdanken habe, indem subtile und weniger subtile
Ähnlichkeiten zwischen Rotts Symphonie und Mahlers frühen Werken
zitiert wurden. In extremen Fällen wird Mahler praktisch beschuldigt,
die ungespielte Symphonie seines Mitschülers für seine eigenen
Zwecke ausgeschlachtet zu haben. |
Was beweist das? Nun, Mahler hat anscheinend eines
von Rotts Themen mehr oder weniger ganz gestohlen: das von Solotrompete
und Horn intonierte Thema in Rotts Trio taucht wortwörtlich
im Finale von Mahlers Auferstehungssinfonie auf. Und
die starke "Familienähnlichkeit" zwischen Rotts Scherzo
und dem der Ersten Symphonie Mahlers ist in ihrem mitreißenden
Vorwärtsdrang und ihrer gesamten Struktur offenkundig. Ein alter
Mahler-Kenner wird zweifelsohne einige bekannte Stellen entdecken. |
Aber Plagiat? Wohl eher nicht. Es ist vielmehr
wahrscheinlicher, daß Teile von Rotts Musik ganz einfach
in Mahlers Kopf vorhanden waren, und er sie - bewußt
oder unbewußt - ebenso verwendet hat, wie er anscheinend
oft Themen von Brahms, Händel usw. "wiederverwertet" hatte.
Und Mahlers Musik - mit ihren Zitaten und all dem - erzielt
sicherlich einen einmaligen ästhetischen und emotionalen
Effekt. Seine Orchesterstrukturen, vollkommen klar selbst dann
noch, sie mit voller Wucht erklingen, unterscheiden sich vollkommen
von den brillanten doch manchmal überladenen Rotts. Und
dort, wo Mahlers Ausdruck direkt und unerschrocken ist, zeigt
Rotts Musik, so feurig wie sie auch klingt, eine gewisse Zurückhaltung
vor ihren Gefühlsgesten. |
Da sich die Komponisten verschiedener Nationalitäten
und Stile in der ganzen romantischen Periode gegenseitig befruchteten,
verwischen sich ganz allgemein die Spuren ihrer Einflüsse.
In einigen Fällen war die Hommage Absicht - wie konnte
beispielsweise ein Schumann Beethovens explosive symphonische
Innovationen
ignorieren? In anderen Fällen sind uns Ähnlichkeiten dank unserer
unfehlbaren nachträglichen Einsicht bewußt geworden. (So wird
Dvořáks Sechste Symphonie allgemein als "Brahmsisch" betrachtet,
obwohl seine Themen völlig anders klingen; andere kompositorische
Ähnlichkeiten wurden eher gefühlt als begründet.) Und wie erklären
wir uns Rotts offensichtliche Vorwegnahme von Sibelius im
unbeirrbaren,
leidenschaftlichen Unisono-Thema des Finales - einem Komponisten,
der Rotts Partitur unmöglich gekannt und bei ihr Anleihen
genommen haben kann? In diesem Fall ist es besser, sich keine
Gedanken
über Ausbeutung oder Schlimmeres zu machen - lassen wir beide,
Mahler und Rott, in Frieden ruhen und genießen wir ganz einfach
die Musik. |
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