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Dennis Russelll Davies Interpretation (CPO 999 854-2) eröffnet
ein neues Kapitel in der Diskographie der Symphonie, indem
er die Partitur mit derselben sachlichen Direktheit und Sicherheit
spielt, die er dem Mainstream-Repertoire entgegenbringt. Für
einen flüchtigen Kontrapunkt entlockt er den Strukturen
Motive, dehnt das Sehr langsam zu einer langen, singenden Linie
und holt aus dem Radiosymphonieorchester Wien ein gutes, solides
Spiel heraus (das flüssige Legato die Sicherheit und rhythmische
Präzision der Hörner bilden einen Höhepunkt.
Leider verdirbt er das in der Konzeption verallgemeinerte Finale indem er die bei 15:57 einsetzenden schneidenden Fanfaren auf
viel unsensibles Dröhnen reduziert. Ich hätte gern
das fünfzehnminütige Pastorale Vorspiel - eine hübsche
Zugabe für Sammler - einem besseren Schluß geopfert.
Der Klang ist akzeptabel, obwohl die Resonanz der allgegenwärtigen
Pauken die Strukturen aufweicht, besonders im Scherzo, und
das Triangel übernimmt die Führung - vielleicht etwas
zu viel des Guten. |

Radio Symphonieorchester
Wien
Dennis Russell Davies
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Davies Aufführung wurde jedenfalls von einer neueren
Einspielung (Arte Nova 82876 67748 2) übertroffen, in
der Sebastian Weigle mit der Partitur nicht weniger sicher
und pragmatisch umgeht, in der das Münchner Rundfunkorchester
wundervoll transparent Klangvolles feilbietet (im wahrsten
Sinne des Wortes zu einem Arte Nova-Preis). Der Eröffnungssatz
entwickelt sich von einer noblen Einsamkeit (das Posaunensolo
bei 4:17) über Entfremdung und vorsichtigen Optimismus
zu einer entschlossenen, orgelgleichen Majestät. Das Sehr
langsam fließt leicht dahin, ohne dabei das klangliche
Gewicht oder das Gefühl der Ehrerbietigkeit zu opfern;
die Hörner bei 5:48 ff. schmiegen sich klagend an die
serpentinenartige Dynamik, und nach 7:42 gelingt es dem Dirigenten
sehr schön, die führenden Stimmen herauszuarbeiten,
die normalerweise vom Chor der Blechbläser überdeckt
werden. Eher weiche als scharfkantige Blechbläserattacken
bilden einen lebhaften Antrieb für das Scherzo. Wenn die
Solovioline im ersten Walzer etwas blutleer klingt, so sind
diese Episoden wenigstens direkt und werden bei 7:38 leicht
unheimlich. Der Schluß dieses Satzes ist nicht besonders
Wild wie angegeben, aber der Dirigent führt erneut das
Ohr, indem er wichtige Motive aus dem emsigen Treiben herausarbeitet.
Nach einer stark charakterisierten, spannenden Einleitung erinnert
das Hauptthema mit seiner dahinschreitenden Würde an Brahms
Erste; und mit einem Mal klingt die große Halbkadenz
ausbalanciert, fortschreitend und entschlossen. Und in der
Coda siegt Weigle dort wo Davis scheitert, indem er sich die
Mühe macht, die Höhepunkte der Fanfaren zu formen,
indem er die schwierigen Ritardandi mühelos auf eine Linie
bringt; die Kongestion bleibt hier leider ein Problem wie auch
bei anderen Aufnahmen (obwohl sich sonst die Strukturen in
wunderbaren, dreidimensionalen Schichten aufbauen). Angesichts
der Aufmerksamkeit, die der Dirigent dem Auffinden der von
den Blechbläsern überdeckten Motiven widmet, ist
es eigenartig, daß er gelegentlich die (melodischen)
Diskantstimmen in den Tutti nachlässig behandelt. Jedoch
nach der geräuschvollen Coda ist die erste der beiden
Zugaben - ein Orchestervorspiel in E-Dur - eine Wohltat für
die Ohren, während das Vorspiel zu "Julius Cäsar" mit
seiner lebhaften Kraft und seinen warmen Farben ein Rückschritt
in die Schumann/Weber-Ära bedeutet. |
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