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In einem im April 1997 aufgeführten Konzert in Amsterdam
(Zondag Ochtend ZOC 9702) zieht Jac van Steen erfrischende
Tempi musikalischen Effekten vor. Der Schlußchoral des
langsamen Satzes ist leicht und magisch schwebend, die Blechbläser
erzielen im Scherzo einen wirklich Mahlerisch jauchzenden Elan,
und das in die vorwärtstreibenden Fugen segelnde Finale ist ungewöhnlich klar. Doch van Steen fehlt das technische
Wissen - oder vielleicht Probenzeit - um sein ehrgeiziges Konzept
durchzuführen. Die vorgegebenen Ritardandi und Rubati klingen unschön und proportionslos; die ungenügend
differenzierten Tutti erlauben zufällige Balancen und
sogar zufällige Tempi. In der turbulenten Explosion, mit
der das Scherzo endet, sind die sich überschneidenden
Motive überall verstreut. Ein unordentliches Durcheinander
geht der Halb-Kadenz des Finales voraus. Die Spieler des Radio
Filharmonisch Orkest klingen ebenso überfordert. Flöten-
und Trompeten-Intonation sind zu Beginn unklar; die Violinen
in den bravourösen Passagen bruchstückhaft, ansonsten
nervös; im Finale, nach dem tadellos klaren tiefen Dis
in den Kontrabässen und Pauken, können die Bässe
sich nicht auf das auflösenden E konzentrieren (zu viele
schlecht gestimmte viersaitige Bässe?). Die saubere, klare
Baß-Reproduktion ist zu Beginn des Finales ein Vorteil,
wo die leisen Stellen weniger unsauber klingen als sonst, aber
der harte, rauhe, schneidende Tutti-Klang - überraschend
bei der Akustik des Concertgebouw - erschwert das Hören. |

Radio Filharmonisch
Orkest
Jac van Steen
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Die schizophrene Aufführung des Orchestre National de
Montpellier (Naive AD 085) aus dem Jahre 2003 klingt wie von
zwei Dirigenten zusammengesetzt, der eine einfühlsam,
der andere plump. Friedemann Layers steifer, schleppender Taktschlag
erweist den ersten beiden Sätzen einen schlechten Dienst.
Das Eröffnungsthema schleppt sich schwerfällig dahin,
ohne Belebung beim Höhepunkt und ist auch sonst nicht
wirklich fließend - sogar die stilleren Momente sind
hölzern. Die ruhige wie auch die laute Einführung
des Sehr langsam-Themas sind baßlastig, und der 4/4-Choral
kommt ausdruckslos daher, nicht mehr als eine weitere bedeutungslose
Episode. Danach ist der wirkliche Aufschwung des Scherzo eine
erfreuliche Überraschung. Wie auch das Finale, um es vorwegzunehmen:
Der Misterioso-Aspekt der Einleitung wird gut vermittelt, und
die Holzbläser-Passagen sind angemessen flüssig.
Leider kehrt beim schreitenden Thema das Hacken zurück,
nur ein verdammter Takt nach dem anderen. Der Klang vermittelt
ein gutes Gespür für Tiefe, so verbinden sich verschiedene
instrumentale Stränge zu attraktiv geschichteten Texturen.
Die Techniker haben jedoch das Problem scharfkantiger, aufgestauter
Tutti nicht gelöst. |

Orchestre National
de Montpellier
Friedemann Layer
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